Nicole Dennis-Benn – Here Comes The Sun
Armchair traveler: Read a book set in a destination you want to visit.
Jamaika ist ein Urlaubsparadies für Europäer und Nordamerikaner. Am Strand unter Palmen liegen, Cocktails schlürfen und in der kristallklaren Karibik baden – was will man mehr? Der Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Er zerstört jedoch auch das Leben zahlreicher Jamaikaner und Jamaikanerinnen. Menschen werden von ihren Grundstücken vertrieben, damit dort neue Hotelanlagen gebaut werden können. Und Frauen müssen häufig schon im Teenager-Alter als Prostituierte arbeiten, um überleben zu können.
Nicole Dennis-Benn erzählt die Geschichte von Margot, ihrer 15jährigen Schwester Thandi und ihrer Mutter Delores, die Mitte der 90er in Montego Bay leben. Während Delores auf dem Markt die üblichen Mitbringsel an Touristen verkauft, arbeitet Margot am Empfang eines großen Hotels. Sie ist immer wieder die Mitarbeiterin des Monats, da sie morgens als erste da ist und abends als letzte geht. Denn Margot verbringt die Nächte in den Zimmern männlicher Hotelgäste, um ihr mickriges Gehalt aufzubessern. Thandi soll es einmal besser haben. Sie besucht eine gute Schule und soll anschließend Medizin studieren. Als Ärztin kann sie der Familie ein Haus in einer besseren Gegend kaufen. Das ist der Plan – zumindest von Margot und Delores.
Thandi weiß nichts von den Aufopferungen ihrer Schwester. Der perfekte Schulabschluss interessiert sie nicht. Stattdessen will sie als Künstlerin arbeiten und vor allem helle Haut haben, damit sie in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance hat. Daher cremt sie sich regelmäßig mit einer Bleichcreme ein und schwitzt rund um die Uhr in Klarsichtfolie eingewickelt, im Glauben, die Creme würde so schneller wirken.
Doch die Pläne von Margots Chef, ein weiteres Hotel in Montego Bay zu eröffnen, stellt das Leben der gesamten Familie und ihrer Freunde auf den Kopf.
Oberflächlich betrachtet hält der Roman Here Comes The Sun dem weißen Tourismus einen Spiegel vors Gesicht. Doch in dem Buch geht es um viel mehr. Es geht um Erwartungen an sich selbst und an andere, um die Konsequenzen, wenn diese Erwartungen erfüllt oder nicht erfüllt werden und um die zwei Seiten einer Medaille. Denn dass Erfolg und Unglück dicht beieinander liegen, demonstriert die Autorin in ihrem Roman auf fabelhafte Weise. Auch wenn das Buchcover nach leichter Strandlektüre aussieht, erwartet die Leser*innen eine tiefgründige Geschichte, die eher unbequem als schön ist.
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