Thomas Mullen – Darktown
Dank einer Leserunde von wasliestdu.de hatte ich die Gelegenheit, den neuen historischen Roman „Darktown” von Thomas Mullen kennenzulernen. Die als Sozialstudie angelegte Kriminalgeschichte schildert sehr anschaulich und bedrückend die rassistischen Zustände im Atlanta der späten 1940er.
1948 erhält Atlanta aus politischen Gründen seine ersten Polizisten schwarzer Hautfarbe. Diese acht Männer sind von Polizei und Justiz größtenteils unerwünscht und müssen ihr Revier im Keller des YMCA aufbauen. Ihre Befugnisse sind gering. Das eigentliche Polizeirevier dürfen sie nicht betreten, was z. B. die Akteneinsicht erschwert. Verhaftungen dürfen sie nicht selbst vornehmen, sondern müssen warten, bis sich die eigens dafür gerufenen weißen Polizisten zum Tatort bequemen. Durch die Uniform werden sie zudem zur beliebten Zielscheibe weißer Autofahrer (meist Polizisten) und müssen des öfteren ihr Leben durch einen Sprung zur Seite retten. Und selbst „ihre eigenen Leute” – Nachbarn oder Bekannte aus der Kirchengemeinde – hadern mit den neuen Polizisten, die so hartnäckig gegen Alkoholschmuggel u. ä. vorgehen, aber nicht verhindern können, dass die weißen Polizisten dem Schwarzen Teil der Bevölkerung das Leben schwer machen.
In dieser Atmosphäre fühlen sich die beiden Hauptcharaktere Boggs und Smith berufen, den Mord an einer jungen Schwarzen Frau aufzuklären, den die weißen Kollegen mit aller Kraft unter den Teppich zu kehren versuchen. Dass sie mit ihren heimlichen Ermittlungen nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Familien sowie die Angehörigen des Opfers in Gefahr bringen, versteht sich von selbst.
Die Geschichte wird abwechselnd aus den Perspektiven von Boggs, Smith sowie deren zwei weißen Kollegen Dunlow und Rake erzählt und vermittelt so die verschiedenen Probleme und Gedanken der Protagonisten. Dabei verwendet der Autor eine zwar leicht verständliche, aber an die Zeit angepasste Sprache, d. h. anstatt von Schwarzen und People of Color/POC ist hier von Negroes und Farbigen die Rede.
Während der Roman zu Beginn den Fokus auf die Lebenswelt der Protagonisten legt, nimmt die Kriminalgeschichte im weiteren Verlauf stetig an Fahrt auf, sodass sich das Buch im letzten Drittel zu einem regelrechten Pageturner inkl. Cliffhanger zum Kapitelende entwickelt.
Bedrückend an Darktown ist nicht nur, zu erfahren, wie systematisch Rassismus in den 1940ern in den Südstaaten stattfand und wie tief verankert dieser in der Erziehung ist, sondern besonders auch die Erkenntnis, dass sich seitdem nicht viel verändert hat. Schwarze Polizisten dürfen nun zwar Seite an Seite mit ihren weißen Kollegen arbeiten und Verhaftungen vornehmen, aber Angst vor rassistischen Übergriffen durch weiße Polizisten haben wohl die meisten Afroamerikaner auch heute noch berechtigterweise. Insofern hoffe ich, dass der Roman Eingang in die Bestsellerlisten findet und so vielleicht für einen Weckruf sorgt.
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