Sarah Waters – Die Muschelöffnerin
Let’s Get It On: Read a book that features falling in or out of love.
Nancy Astley wächst in den 1880ern in Whitstable auf, einem kleinen Ort östlich von London, der für seine Austern berühmt ist. Dort arbeitet die 18-jährige als Muschelöffnerin im elterlichen Restaurant. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten in der nahegelegenen Music Hall, in der sie eines Tages Kitty Butler kennenlernt, die als männlicher Imitator der Star des Ensembles ist. Nancy ist fasziniert von Kitty und beginnt, für diese als Garderobiere zu arbeiten. Als Kitty ein Engagement in London angeboten wird, ziehen die beiden um und stehen bald schon gemeinsam auf der Bühne. Als erstes Duo männlicher Imitatoren feiern sie große Erfolge. Doch auch privat werden die beiden ein Paar. Lange kann dies im viktorianischen England jedoch nicht gut gehen – die Beziehung endet in Tränen und Nancy flieht mit gebrochenem Herzen in eine heruntergekommene Absteige.
Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet sie als männlicher Prostitutierter sowohl für Männer als auch für Frauen, bis sie eines Tages Zuflucht bei sozialistischen Aktivisten findet.
Die mittlerweile mit zahllosen Preisen überhäufte Sarah Waters legte mit Die Muschelöffnerin ein fulminantes Romandebüt vor. Nachdem ihr Buch zunächst von zahlreichen Verlagen abgelehnt worden ist, wurde es schließlich, wenige Jahre nach Erscheinen, sogar als Dreiteiler von der BBC verfilmt. Sarah Waters schildert sehr detailliert die lesbische Subkultur im viktorianischen London, wobei der Leser hier keine vollkommen authentische Beschreibung erwarten darf. Da es praktisch keine Quellen über Lesben in dieser Zeit gibt, hat die Autorin sich ausgemalt, wie es gewesen sein könnte. Immerhin ist sie eine Fachfrau, hat sie doch ihre Doktorarbeit über die viktorianische Ära geschrieben. Diese Fachkenntnis ermöglichte ihr auch sehr detaillierte und anschauliche Beschreibungen der verschiedenen Londoner Stadtteile und Straßen, Bevölkerungsgruppen sowie der politischen Aufbruchstimmung im Land. Dadurch fällt es leicht, sich als Leser völlig in der Geschichte zu verlieren und die eigene Umgebung zu vergessen.
Der Originaltitel des Buches – Tipping the Velvet – gibt übrigens einen Hinweis auf die frivol-freche Sprache, in der Waters die Geschichte verfasst hat. Denn dabei handelt es sich um einen viktorianischen Slang für Cunnilingus. Wer dabei nicht rot wird, wird mit rund 450 Seiten bester Unterhaltung belohnt.
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