Cory Doctorow & Jen Wang – Das echte Leben
Geschichten über Videospiele üben eine unheimliche Faszination auf mich aus. Nicht nur, weil sie verhältnismäßig rar sind, sondern auch, weil sich so viele interessante Stories damit erzählen lassen. Im japanischen Raum ist das sogenannte Isekai-Genre bereits weit verbreitet: Geschichten, in denen die Protagonisten im wahrsten Sinne in die virtuelle Welt gezogen werden und ihre bisherigen Verhaltensweisen ändern müssen.
“Das echte Leben” ist eine Mischung aus beidem. Die junge Anda fängt an, Coarsegold Online zu spielen – und wir sehen sowohl ihre Abenteuer im Spiel als auch ihre echt Welt. Cory Doctorov ist hierbei für die Story verantwortlich, während Jen Wang, bekannt zum Beispiel durch Adventure Time, den Comic zeichnerisch umgesetzt hat. Durch die weichen Linien und bunte Aufmachung richtet sich die Graphic Novel auch optisch an Jugendliche. Das Cover war natürlich auch mal wieder das, was mich bei @izneocomics auf diesen Titel aufmerksam hat werden lassen.
Inhaltlich geht es nicht nur darum, wie die stille Anda im Online-Spiel mehr Selbstvertrauen als Teil einer Gruppe findet und sie sich in der Realität den berechtigten Bedenken ihrer Eltern aussetzen muss, auch ein eher ungewöhnlicher Nebenaspekt des Online-Spielens wird angeschnitten: Goldfarming. Wer gerne Online-Spiele spielt, aber nicht gerade viel Zeit, sondern stattdessen einiges an Geld mitbringt, kann sich auf Tauschportalen nach Accounts umsehen, die sich käuflich erwerben lassen – mit vielen freigeschalteten Gegenständen und einiges an Vorteilen. Auch der Ankauf von virtueller Währung durch Echtgeld ist oft möglich, aber selten legal. Möglich machen dies die sogenannten Goldfarmer, zumeist sehr junge Männer aus China, die zu oft sehr schlechten Arbeitsbedingungen Videospiele für Geld spielen und durch den Verkauf virtueller Waren die Inflation im Spiel vorantreiben. Ein spannendes Thema, was in “Das echte Leben” sehr überraschend aufgegriffen wird und eine Tiefe liefert, die ich so nicht erwartet hätte.
Leider macht vor allem die innere Spiellogik von Coarsegold Online einiges zunichte. Sind Andas erste Fußstapfen in der neuen Welt noch nachvollziehbar – das Gefühl, sich ganz neu in einer fremden Welt zu befinden und hinter jedem Stein ein Abenteuer zu erwarten, ist MMO-Spielern sicherlich bekannt – sind die Goldfarmer- und Gildenaspekte der Geschichte eher unrealistisch. So können Spieler in Coarsegold ganz offenbar andere Spieler töten, was sie ihr komplettes Gold verlieren lässt, und schlechtes Verhalten in spielermoderierten Gilden kann zur kompletten Sperrung eines Accounts führen – Game Design, das so in wohl keinem Online-Spiel zu finden ist. Viele Online-Spiele haben heutzutage deutlich bessere Systeme, um Goldfarming und Goldselling zu verhindern – da die Graphic Novel, 2013 erschienen, jedoch auf einer Kurzgeschichte von 2004 basiert, ist das verzeihbar.
Was mich an “Das echte Leben” am meisten begeistert hat, waren die Momente, in denen der Spaß am Spielen so richtig durchkam, sowie Andas Erfahrungen in der realen Welt, mit den Reaktionen ihrer Mutter und ihrer Spielertruppe in der Schule. Vielleicht hätten diese Aspekte mit ein paar Seiten mehr weiter betont werden können. Denn weibliche Protagonisten in Geschichten über Videospiele sind nach wie vor nicht alltäglich – und die junge, spielbegeisterte, weibliche Zielgruppe kann sicherlich weitere Identifikationsfiguren gebrauchen.
“Das echte Leben” findet ihr im breitgefächerten Katalog von izneo. Dort – und auch hier im Beitrag – steht euch eine kostenlose Leseprobe zur Verfügung. So könnt ihr in den Titel sowie in die Handhabung des Webplayers hineinschnuppern. 😉 Schaut doch mal bei izneo vorbei, es ist für jeden Geschmack etwas dabei! 🙂
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